Abgeltungssteuer Schweiz - Analyse bestätigt Riesenschlupflöcher

TJN veröffentlicht heute eine überarbeitete und erweiterte Version seiner Ersten Analyse des Deutsch-Schweizer Abgeltungssteuer-Abkommens. Die Analyse zeigt, dass das Abkommen die wichtigsten Schlupflöcher, welche schon 2003 zur beinahe Wirkungslosigkeit der EU-Zinsrichtlinie beigetragen haben, auch das Deutsch-Schweizer Abkommen entwerten. Mehr Details zu den Schlupflöchern hat TJN auf Englisch hier veröffentlicht. Daneben gibt es mittlerweile viele Anzeichen, dass immer mehr Fachleute die Löcher im Abkommen erkennen und kritisieren, etwa hier, oder hier, oder hier. Die Financial Times etwa schrieb:

"The gravest risk in the UK-Swiss deal is that it will undermine the EU’s newly revamped agreement with Bern on tax withholding and information exchange. On the narrow question of which rules are better, the EU arrangement wins. Some of its rates are higher, and it has started to take seriously the need to plug gaping loopholes. [...]

Also, united EU negotiating pressure can plainly achieve more than unco-ordinated national efforts, which make it too easy for Switzerland – or others havens that profiteer from tax cheating – to play EU members states off against one another."

Es ist unverständlich, warum die Bundesregierung von seinen europäischen Nachbarn mit dem überarbeiteten EU-Vertrag Haushaltsdisziplin einfordert, während die Probleme auf der Einnahmeseite weiterhin ausgeklammert werden. Als wäre die mangelnde Steuerkooperation zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung kein ernstzunehmendes Problem innerhalb der EU und hätte mit der Finanzkrise rein gar nichts zu tun.

Erst vor 2 Wochen legte Tax Justice Network neue Forschungsergebnisse vor (hier), denen zufolge Steuerhinterziehung in 145 Ländern für Einnahmeausfälle von 3,1 Billionen US$ verantwortlich sind (das sind 3100 Milliarden US$). Deutschland verliert demnach jährlich aufgrund von nicht oder falsch deklarierten Wirtschaftsaktivitäten über 200 Milliarden US$ an Steuereinnahmen (auf Seite 4 hier).

So lange die Bundesregierung die Augen vor den Riesen-Problemen auf der Einnahmeseite verschließt, kann sie auf keine dauerhafte Rettung der Eurozone hoffen. Das Abkommen mit der Schweiz legt Zeugnis ab von einer neuen deutschen Arroganz, die den nationalen Vorteil ohne Rücksicht auf europäische Nachbarn sucht. Das Schweizer Abkommen ist ein Element dieser neuen national orientierten Politik.

Die jetzt vorgelegte, aufgefrischte Analyse vertieft einige Details des Abkommens sowie Umgehungsmöglichkeiten via Liechtensteiner Ermessensstiftungen, und präzisiert das Funktionieren der Alternative, nämlich des automatischen Informationsaustauschs gemäß der überarbeiteten EU-Zinsrichtlinie.

Die Zusammenfassung der aufgefrischten Analyse sagt:

Der am 21.9.2011 veröffentlichte Vertragstext des Deutsch-Schweizer Abgeltungssteuerabkommens bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Wie schon die niedrige Garantiesumme zeigt, werden sich die künftigen jährlichen Zahlungen an den deutschen Fiskus auf einen Bruchteil der vom deutschen Finanzministerium vermuteten Summe belaufen, zumal der geltende EU-Steuersatz von 35% auf Zinserträge mit dem Abkommen rechtswidrig auf 26% gesenkt wird. Die Schlupflöcher des Abkommens im Hinblick auf die Zahlstellen, die erfassten Vermögenswerte und die betroffenen Personen sind riesig. Das erklärt wohl auch, warum die Schweizer Banken im September hektische, geschäftsschädigende Kontenblockaden vornahmen.Denn selbst die geringfügige Vorauszahlung von knapp zwei Mrd. € dürfte auf Grundlage des Abkommens nicht von deutschen Steuerpflichtigen einzuholen sein.

Diese bilateralen Verträge müssen nicht nur nachverhandelt werden, sondern ganz vom Tisch verschwinden. Geheimhaltung und Anonymität dürfen nicht zu einem vertraglichen Pfeiler zwischenstaatlicher Beziehungen werden. Das Organisierte Verbrechen hätte Grund zum feiern, sollten diese Verträge umgesetzt werden. Die Analyse ist hier kostenlos herunterzuladen.

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