DGB-Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013

Zwar ist schon ein wenig Zeit verstrichen seitdem der DGB seine Stellungnahme zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 veröffentlicht hat (siehe hier). Dennoch sind einige Passagen daraus lohnenswert zu lesen. Besonders drei Themenblöcke könnte LeserInnen des Blogs interessieren. Zunächst geht es um den Entwurf für das Umsetzungsgesetz der EU-Amtshilferichtlinie für Steuern (EUAHiG-E), die im Februar 2011 verabschiedet wurde (Original-pdf hier).

"Mit dem EUAHiG-E erfolgt die Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie (2011/16/EU) über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung zum 1.1.2013 in nationales Recht. Zweck des Gesetzes ist es die zwischenstaatliche Amtshilfe in steuerlichen Angelegenheiten zu stärken. Es löst damit zugleich das EG-Amtshilfe-Gesetz ab, das bis dato die Rechtsgrundlage für die einschlägige grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Die Regelungen beziehen sich auf alle Arten von Steuern sofern sie nicht bereits von anderen einschlägigen EU-Rechtsvorschriften erfasst sind (Mehrwertsteuer, Zölle, Verbrauchssteuern). Zum zentralen Verbindungsbüro, das für die Kontakte zu anderen Mitgliedstaaten zuständig ist, wird das Bundeszentralamt für Steuern bestimmt.
Künftig sind nach dem EUAHiG-E drei Auskunftsarten zu unterschieden: Die Ersuchensauskunft, die automatische Auskunft und die Spontanauskunft. Mit der Ersuchensauskunft teilt die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde alle für die Durchsetzung des innerstaatlichen Steuerrechts erheblichen Auskünfte mit. Die Informationen müssen spätestens sechs Monate nach dem Ersuchen zur Verfügung gestellt sein. Bei einzelnen Einkunftsarten werden künftig automatisch Auskünfte erteilt. Betroffen sind Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen, Lebensversicherungen und Ruhegehälter sowie Immobilieneigentum und daraus erzielte Einkünfte. Diese Informationen sind mindestens einmal jährlich zu übermitteln. Dividenden, Kapitalgewinne und Nutzungsentgelte sind dagegen von der automatisierten Auskunft nicht erfasst.  Daneben kann schließlich in bestimmten Fällen eine Auskunft "spontan" erfolgen; zum Beispiel dann, wenn ein Mitgliedstaat Gründe hat, die Steuerverkürzung in einem anderen Mitgliedstaat zu vermuten. Hierzu zählen auch künstliche Gewinnverlagerungen innerhalb eines Konzerns.
Zudem werden noch weitere Formen der Verwaltungszusammenarbeit geregelt. So können künftig Bedienstete der ersuchenden Behörde bei behördlichen Ermittlungen in Deutschland zugegen sein.
1.2.  Bewertung
Zweifellos stellt das EUAHiG-E einen erheblichen Fortschritt gegenüber seinem derzeit noch geltenden Vorläufergesetz dar, da es in vielfacher Hinsicht den Informationsaustausch ausdehnt und verbessert und dadurch ungleich besser die Bekämpfung von Steuerhinterziehung unterstützt. Hierzu tragen vor allem die Schaffung eigener Organisationseinheiten, weniger umständliche Amtshilfewege, eine verbesserte Standardisierung und die Einführung verbindlicher Fristen bei. 
Da aber die EU-Amtshilferichtlinie eher Mindeststandards für den Informationsaustausch definiert und eine darüber hinausgehende intensivere Zusammenarbeit keineswegs untersagt, ist der vorliegende Gesetzentwurf aber auch einigermaßen enttäuschend, da er an keiner wesentlichen Stelle über das Mindestmaß der Richtlinie hinausreicht. Dies ist insofern überraschend, als dass überwiegend die Regierungen Österreichs und Luxemburgs dafür kritisiert wurden, sich dem ursprünglich etwas weitergehenden Kommissionsvorschlag zu verweigern, die amtierende deutsche Bundesregierung diesen aber erklärtermaßen unterstützt hat.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist es darüber hinaus von grundsätzlicher Bedeutung, dass Dividenden, Einkünfte aus Kapitalgewinnen und selbstständiger Arbeit sowie Nutzungsentgelte gegenüber Vergütungen aus unselbstständiger Tätigkeit keiner privilegierten Verschonung unterliegen. Deshalb unterstützt der DGB ausdrücklich das vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 10.2. 2010 zum Ausdruck gebrachte Ansinnen, die genannten Einkunftsarten sowie jegliche Arbeitseinkünfte gleichermaßen in den automatisierten Informationsaustausch mit einzubeziehen. Auch wenn es im europäischen Aushandlungsprozess nicht gelang diese Gleichbehandlung durchzusetzen, so stünde ihr aber, das Vorhandensein eines entsprechenden politischen Willens vorausgesetzt, bei der Anpassung der deutschen Rechtsgrundlage nichts entgegen.
Um zu gewährleisten, dass die Erteilung von Auskünften, die über die EU-Richtlinie 2011/16/EU hinausgehen, nicht nur einseitig in eine Richtung erfolgt, sollte diese an den Vorbehalt geknüpft werden, dass andere Mitgliedstaaten sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise zur Auskunft bereit erklären. Die einzige Bedingung, die die EUAmtshilferichtlinie in Artikel 8 Abs. 8 an solche weitergehenden Vereinbarungen stellt, ist deren Mitteilung an die EU-Kommission.  Des Weiteren sollte sich auch  der im EUAHiG-E formulierte Passus zum spontanen Informationsaustausch an der weitergehenden Formulierung des Richtlinienentwurfs orientieren. So übernimmt § 8 Abs. 2 EUAHiG-E inhaltsgleich eine Reihe mehr oder weniger spezieller Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um eine Verpflichtung zur spontanen Informationsübermittlung auszulösen. Hier sollte der ursprünglichen Formulierung des Richtlinienentwurfs der Vorzug gegeben werden, die vorsah alle vorliegenden relevanten Informationen zu übermitteln, insbesondere wenn die Besteuerung im Bestimmungsland der Information erfolgen soll und die Wirksamkeit der dortigen Kontrollen dadurch verbessert werden kann." (eigene Hervorhebung).
Wir hatten schon einmal über diese Richtlinie berichtet (hier) und können der Einschätzung des DGB hier nur voll zustimmen. Einzig könnte man überlegen, ob über das Mindestmaß hinausgehender Informationsaustausch nicht nur EU-Mitgliedsstaaten gewährt werden kann, sondern auch anderen Staaten angeboten werden könnte vorausgesetzt dass diese sich an demokratische und menschenrechtliche Mindeststandards sowie Datenschutzbestimmungen halten. Außerdem könnte der Vorbehalt der Gegenseitigkeit des Informationsaustauschs weit interpretiert werden ähnlich wie dies die Niederlande oder Australien tun. Dort wird die Routineübermittlung von aufbereiteten Steuerdaten an andere Staaten gewährt, sofern diese (auch in anderen als exakt denselben Einkommens- bzw. Steuerkategorien) spürbare und substantielle Zusammenarbeit leisten.

Wichtig in dem Zusammenhang ist eine Erkenntnis im jüngsten Papier von Grinberg (hier herunterzuladen). Er schreibt auf Seite 21, in Fußnote 77, dass die EU-Richtlinie nur bei EU-BürgerInnen Vorrang gegenüber den strengen Datenschutzbestimmungen der EU hat. BürgerInnen von außerhalb der EU sowie deren zuständige Steuerbehörden können somit aufgrund dieser Richtlinie von vornherein nicht in den Genuss eines gegenseitigen Informationsflusses kommen.Grinberg formuliert dies so:

"The February Directive also provides that limitations on the application of European Union Directive 95/46/EC (“European Union Data Protection Directive,” related to European data protection laws) are necessary and proportionate in the case of tax information exchange and cooperation in view of the potential loss of revenue for member states and the crucial importance of the February Directive in the effectiveness of the fight against fraud.  Id. at art. 27.  Thus, an EU data subject’s right to information about the use of their personal data, access to that data, and judicial remedy for breach of their rights under the European Union Data Protection Directive is restricted for purposes of obtaining information exchange among the member states.  Id. at art. 25. The potential conflict between EU data protection law and the crucial needs of non EU tax authorities in a globalized economy is beyond the scope of this article. "

Weiter spricht der DGB die geplanten Änderungen des Körperschaftsteuer- und des  Außensteuergesetzes an.
"Mit der Änderung des Außensteuergesetzes soll hauptsächlich der neue Artikel 7 des OECD-Musterabkommens in innerstaatliches Recht umgesetzt werden, um die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. -verteilung einheitlich und nach international anerkanntem Standard nach dem sog. Fremdvergleichsgrundsatz zu regeln. Die Änderungen im Körperschaftsteuerrecht sind weitgehend redaktioneller Natur und durch die Schaffung des EU-Amtshilfegesetzes und die Neufassung der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie bedingt. Letztere wurde vor allem im Interesse größerer Klarheit neu gefasst ohne dass damit wesentliche inhaltliche Änderungen einhergegangen sind.
Da die Besteuerung von grenzübergreifenden Sachverhalten bei verbundenen Unternehmen immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten führte, ist eine größere Klarheit an dieser Stelle zu begrüßen. Enttäuschend aber ist, dass es mit der Neufassung der Richtlinie nicht auch gelungen ist wirksame Schritte zur Eindämmung oder gar Beendigung des Wettlaufs um die niedrigsten Unternehmenssteuern in Europa zu gehen. Die wichtigsten drei Schritte bestehen nach Auffassung des DGB darin einen europäischen Mindeststeuersatz zu bestimmen, den Kreis von Unternehmen, die als miteinander verbunden gelten, weiter zu fassen und schließlich die Vorschriften zum Verlustvortrag und -rücktrag enger zu begrenzen."
Sicherlich sind die drei Punkte wesentlich, um den Steuersenkungswettlauf bei der Unternehmensbesteuerung zu stoppen. Konkret stellt sich die Frage, wie nahe der vom EU-Parlament überarbeitete EU-Kommissionsvorschlag für eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB) diesem Ziel kommt (wir berichteten hier).

Ein letzter Bereich in der DGB-Stellungnahme zu den geplanten Änderungen im Gesetz über Steuerstatistiken spricht einen zentralen Forderungskatalog von TJN an. Wir brauchen viel aussagekräftigere und detailliertere Daten über die tatsächlichen Steuerzahlungen von Konzernen (country-by-country reporting), über die Steuerverwaltung (z.B. Personalausstattung), über Steuerstraftaten (abstrahierte Fallstudien über Steuerhinterziehungsfälle mit Beteiligung von Liechtensteiner oder Schweizer Strukturen) sowie bundesweite Statistiken zu den Ergebnissen von  Steuerstrafverfahren. In wie weit die geplanten Änderungen des Steuerstatistikgesetzes dem ersten dieser vier Themenbereiche wirklich näher kommt bleibt vorerst offen. Der DGB schreibt:
"Mit den anvisierten Änderungen des Gesetzes über Steuerstatistiken werden in der Hauptsache zwei Ziele verfolgt. Zum einen sollen künftig jährliche Bundesstatistiken zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer erstellt werden und zum anderen soll es künftig keine statistische Aufbereitung mehr zu den Zahlen aus der Inanspruchnahme der Zulagenförderung zur sog. „Riester-Rente“ mehr geben. 
Der jährliche ausführliche Ausweis zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer ist eine längst überfällige Maßnahme, um die Auswirkungen steuerpolitischer Maßnahmen zeitnäher beurteilen und zügiger darauf reagieren zu können. So verweist etwa noch im März 2012 die Internetseite des Statistischen Bundesamtes auf die Gewerbesteuerstatistik des Jahres 2004 als aktuellste Datengrundlage. Dies ist für Wissenschaft und Politik und vor dem Hintergrund der Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung als ein völlig unbefriedigender Zustand zu bewerten, dem schon längst hätte Abhilfe geleistet werden können."