Die neue Regierung ist kein Vorreiter gegen Steuerflucht und Geldwäsche

Die neue Regierung ist im Amt – Grund, sich den Koalitionsvertrag zu den Themen Steuerflucht und Geldwäsche näher anzusehen.

Bei der Geldwäsche allgemein bekennt sich die Regierung wenig spektakulär zu den „internationalen Standards der Financial Task Force on Money Laundering (FATF)“, will aber immerhin „den Geldwäschetatbestand (§261 StGB) entsprechend anpassen“. Es ist nicht klar, was hier genau gemeint ist, aber es dürfte sich um die heute im Strafgesetzbuch fehlende Möglichkeit handeln, Eigengeldwäsche zu verfolgen – Näheres zu diesem Mangel im Report Schattenfinanzzentrum Deutschland. Viele der im Report angesprochenen nötigen Reformen bei Geldwäsche erwähnt der Koalitionsvertrag allerdings nicht.

Bei Unternehmenssteuervermeidung will man den „Kampf gegen grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen … entschlossen vorantreiben“, „gegen schädlichen Steuerwettbewerb vorgehen“ und „doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften oder einen doppelten Betriebsausgabenabzug verhindern“. Doch was will man dafür tun? Dazu heißt es:
„Wir erwarten den Abschluss der Arbeiten zur OECD-BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)-Initiative im Jahre 2015, einem Vorhaben, […] welches wir aktiv unterstützen. Soweit sich unsere Ziele im Rahmen der OECD-BEPS-Initiative in diesem Zeitraum nicht realisieren lassen, werden wir nationale Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt u. a. eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Briefkastenfirmen, die keine hinreichend aktive Geschäftstätigkeit nachweisen können und die Schaffung eines öffentlichen Registers für alle wirtschaftlich Beteiligten an Trust-Konstruktionen nach dem Vorbild des Geldwäschegesetzes. Auch wollen wir sicherstellen, dass der steuerliche Abzug von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzerträge im Empfängerland korrespondiert. Im Vorgriff auf diese internationale Regelung werden wir in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten.“
Dies wirft mehrere Fragen auf: Will die Regierung die genannten Maßnahmen in den BEPS-Prozess einbringen und – falls dies scheitert – erst nach 2015 auf eigene Faust handeln? Es ist nicht zu erwarten, dass über die OECD, die seit 1996 ohne große Fortschritte an diesem Thema arbeitet, diesmal weitreichende konkrete Vorschläge kommen werden. Oder will die Regierung doch schon vorher national vorangehen? Dazu bleibt der Kolitionsvertrag herzlich vage. Und was stellt sie sich dann genau vor? Schon jetzt kann gegen Briefkastenfirmen teils durch die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz vorgegangen werden – doch in der EU verhindert nach wie vor das Cadburry-Schweppes-Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein echtes Vorgehen gegen Briefkastenfirmen. Wird die Bundesregierung etwa eine politische Revision dieser Rechtsprechung anstreben? Und was sind „Trust-Konstruktionen“? Vermutlich wurde diese Formulierung gewählt, weil in Deutschland keine Trusts gegründet werden können – und die ähnlichen, in Deutschland üblichen Treuhandschaften soll diese Formulierung am Ende wohl gerade nicht umfassen. Der Vorschlag zu Lizenzgebühren wäre jedenfalls zu begrüßen.

Die Regierung will „umfassende“ Transparenz bei Unternehmen. Klingt gut, doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuße:
„Wir wollen deswegen entsprechend der europäischen Regelung eine länderspezifische Berichterstattung im Bankenbereich und im Rohstoffhandel insbesondere über erzielte Gewinne, entstandene Verluste und gezahlte Steuern („country-by-country-reporting“) zwischen den Steuerverwaltungen der Länder einführen.“
Das ist schon hübsch: die Umsetzung beschlossener EU-Gesetze wird als eigener Wille verkauft – natürlich ohne über die EU-Vorgaben, die auch nur Banken und Rohstoffhandel umfassen, hinauszugehen. Und zeitgleich verhinderte die deutsche Regierung zusammen mit anderen in Brüssel diese Tage bei der Richtlinie zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen durch Unternehmen, dass man ein umfassendes Reporting einführt. Hier erfährt das Wort „umfassend“ eine ganz neue Bedeutung.

Bei den Privatpersonen bekennt man sich zum – noch bei den Verhandlungen mit der Schweiz vor einem Jahr verschmähten – automatischen Informationsaustausch:
„Ausgehend von den Entscheidungen der G 20 Staats- und Regierungschefs sowie der G 20 Finanzminister streben wir eine Revision des OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch mit dem Ziel des automatischen steuerlichen Informationsaustausches als internationalem Standard an. Bis dahin werden wir nach dem Vorbild des Abkommens zwischen sechs EU-Mitgliedstaaten weitere bilaterale bzw. multilaterale Vereinbarungen über einen automatischen Informationsaustausch schließen. Wir wollen in einem weiteren Schritt den Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie auf alle Kapitaleinkünfte und alle natürlichen und juristischen Personen ausdehnen.“
Auch hier wird eine schon beschlossene G20-Politik als eigenes „Ziel“ verkauft. Wenig Neuigkeitswert haben die erwähnte multilaterale Vereinbarung und die Erweiterung der Zinsrichtlinie. Letztere voranzubringen wäre zwar in der Tat wichtig, aber dies wird nun schon lange von Österreich und Luxemburg blockiert  – und Deutschland nutzt offensichtlich seinen Einfluss nicht, um endlich einen Durchbruch zu erreichen.

Schließlich schreibt die Regierung zu Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), sie wolle
„die Arbeiten für die nationale Verhandlungsgrundlage für [DBA] fortsetzen. DBA dienen nicht mehr alleine der Verhinderung von doppelter Besteuerung, sondern auch der Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung [...]. Wir werden daher weiterhin entsprechende Klauseln in den DBAs verhandeln und in der Zwischenzeit diese Grundsätze in nationalen Regelungen absichern.“
So positiv die neue Linie bei DBA zu doppelter Nichtbesteuerung ist, so wenig Neues erfährt man. Was genau an der erst vor einem halben Jahr veröffentlichen Verhandlungsgrundlage geändert werden soll, bleibt offen. Einige Punkte, die Ländern des globalen Südens nützlich wären, dürften es nicht sein, z.B. der Widerstand Deutschlands gegen Quellensteuern oder gegen eine breitere Definition von Betriebsstätten.

Positiv zu verzeichnen ist im Bereich der Sanktionen, dass die Regierung, „bei systematischen Verstößen von Banken gegen das Steuerrecht […] aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zum Lizenzentzug in Betracht“ zieht. Die Aussage ist allerdings weich. Bei Privatpersonen will die Regierung außerdem die ungerechte strafbefreiende Selbstanzeige überarbeiten und ihre Wirkung
„künftig von den vollständigen Angaben zu den steuerrechtlich unverjährten Zeiträumen (zehn Jahre) abhängig zu machen. Der Steuerpflichtige müsste dann, um Straffreiheit für die letzten fünf Jahre zu erlangen, auch für die weiter zurückliegenden fünf Jahre alle Angaben berichtigen, ergänzen oder nachholen. Zudem wollen wir künftig eine Anlaufhemmung bei bestimmten Auslandssachverhalten hinsichtlich der Festsetzungsverjährung einführen, wenn diese nicht korrekt erklärt werden. Werden steuerrelevante Auslandssachverhalte erst Jahre später bekannt, kann so die Besteuerung noch durchgeführt werden.“
In die richtige Richtung gehen auch einige Äußerungen zum Steuervollzug. So will die Regierung eine vorsichtige Stärkung der Bundesebene: „Wir werden die Rolle des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) mit entsprechender Ausstattung unter Wahrung der Kompetenzen der Länder stärken.“ Doch es kommt nicht wirklich zu einer Systemumstellung. Wenn die Regierung im steuerföderalen Chaos etwas erreichen wollte, dann müsste sie endlich den gravierenden Fehlanreiz beseitigen, dass die Kosten des Steuervollzugs an die Länder ausgelagert, die Zusatzeinnahmen aber über den Bund verteilt werden.

Fazit: Obwohl die wesentlichen Themen alle vorkommen, bleibt der Koalitionsvertrag überwiegend bei einer Auflistung von Absichtserklärungen ohne konkrete Zeitpunkte für die Umsetzung. Eine echte Vorreiterrolle der Regierung bei der Bekämpfung von Steuerflucht und Geldwäsche ist deshalb nicht erkennbar.