Steuerdeal Schweiz-Deutschland: Die heisse Phase beginnt

Der geplante Schweizer Abgeltungssteuer-Deal mit Deutschland ist eine Gefahr für den automatischen Informationsaustausch. Doch voraussichtlich wird der Vertrag in Sachen Informationsaustausch immerhin über den OECD-Standard hinausgehen. Genau daran könnte er im Schweizer Parlament doch noch scheitern.

Die offiziellen Abgeltungssteuerverhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland laufen seit drei Monaten. Nun sind sie in die heisse Schlussphase gekommen. Patrick Odier, Chef der Schweizer Bankiervereinigung, will in einem Interview mit der Handelszeitung (7. April 2011, S. 18) sogar einen möglichen Abschluss vor Ostern nicht ausschliessen. Er befasse sich zurzeit „täglich und prioritär“ mit diesem Geschäft.

Worum geht es? Die Schweiz hat vorgeschlagen, Erträge aus allen möglichen deutschen Vermögensbeständen in der Schweiz zu besteuern und die Einnahmen anonym an den Fiskus des Nachbarlandes zu senden. Wie dieser Blog hier und hier bereits berichtet hat, will sie damit das Schweizer Bankgeheimnis retten und Druck durch den drohenden automatischen Informationssaustausch abbauen. Inzwischen interessieren sich auch andere EU-Staaten für diesen Schweizer Defensivvorschlag (siehe hier).

Für Odier ist klar: Mit der Einführung der Abgeltungssteuer „wird es für die EU keinen Grund mehr geben, den automatischen Informationsaustausch zu fordern.“ Das ist allerdings nicht ganz richtig. In Ländern, die Vermögenserträge zum progressiv besteuerten Gesamteinkommen rechnen, würde damit die Progression bei anonym gehaltenen Auslandvermögen flach verlaufen. Für politische Kräfte, die sich wie in Deutschland für eine Abschaffung der internen Abgeltungssteuer einsetzen, würde die Internationalisierung dieses Konstrukts einen empfindlichen Rückschlag bedeuten.

Was also ist zu tun? Um die laufenden Verhandlungen zum Platzen zu bringen, ist es bereits zu spät. Deutschland soll allerdings von der Schweiz im Gegenzug für die Abgeltungssteuer eine wesentlich erleichterte Form des Informationsaustauschs auf Anfrage gefordert haben. Odier bestreitet zwar, dass es dabei um „fishing expeditions“ oder einen Informationsaustausch ohne begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung gehen wird, aber die Regelung dürfte deutlich über die restriktiven Amtshilfestandards der OECD hinausgehen.

Deshalb wird zurzeit über eine mengenmässige Beschränkung der Amtshilfegesuche diskutiert. Darüber hat die Handelszeitung hier schon im Februar berichtet. Die deutsche Forderung nach einem Amtshilfekontingent von 5'000 Gesuchen pro Jahr wäre für das Schweizer Parlament jedoch inakzeptabel. Das hat die zuständige Parlamentskommission bereits klar festgehalten. Darum ist das deutsche Anliegen aktiv zu unterstützen: Es würde entweder im Schweizer Parlament zur Zurückweisung des gesamten Deals führen oder im schlimmsten Fall in immerhin 5'000 Fällen pro Jahr zur Entdeckung weiterer unversteuerter Vermögen beitragen.

Mark Herkenrath, Alliance Sud

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