Regeln gegen Doppel-Nicht-Besteuerung
von Sven Giegold
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit ist eine überparteiliche Organisation. Wann immer jedoch Politiker/innen Positionen in unserem Sinne vertreten, möchten wir das dokumentieren. Im Folgenden handelt es sich um eine Stellungnahme von Sven Giegold, Mitglied der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz im Europaparlament.
Heute hat die EU-Kommission einen Revisionsvorschlag für die Mutter-
Tochter-Richtlinie vorgelegt. Die Richtlinie zielt auf Vermeidung von
Doppel- oder Mehrfachbesteuerung von ausgeschütteten Gewinnen einer
Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft. Wegen dieser
Richtlinie, in Verbindung mit Vorschriften aus anderen EU-Gesetzen, war
es für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bisher möglich, erzielte
Gewinne in zwei Mitgliedsstaaten von der Steuer abzuziehen und
entsprechend doppelt nicht zu versteuern. Diese Gestaltungsmöglichkeit
wird jetzt eingeschränkt. Wenn Gewinnausschüttungen im Land der
Tochtergesellschaft von der Steuer absetzbar sind, darf im
Empfängerland bei der Muttergesellschaft nachversteuert werden.
Außerdem macht der neue Vorschlag klar, dass nationale Anti-
Missbrauchsregeln gegen diese Art der Doppel-Nicht-Besteuerung mit EU-
Recht vereinbar sind. Die in vom Europaparlament geforderte
Mindestbesteuerung von 16%, auf diese ausgeschütteten Gewinne, hat die
Kommission nicht aufgegriffen. Das Europaparlament wird jetzt seine
Position zu dem Vorschlag in einer Stellungnahme abstimmen, bevor der
Rat die Änderung der Richtlinie einstimmig beschließen muss.
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im
Europaparlament kommentiert:
"Dieser Vorschlag ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen skrupellose
Steuergestaltung und Steuervermeidung von multinationalen Unternehmen.
Die Grünen habe schon lange auf die Schlupflöcher in der Mutter-Tochter-
Richtlinie hingewiesen. Allerdings sind unsere Forderungen an der
Borniertheit der Mitgliedsstaaten gescheitert. Die üblichen
Verdächtigen wie die Niederlande und Luxemburg haben effektive
Änderungen bisher verhindert. Die Skandale um Apple, Google, Amazon und
Starbucks haben aber zuletzt dafür gesorgt, dass neue Bewegung in die
Debatte um den internationalen Steuerwettbewerb gekommen ist. G20 und
die OECD arbeiten mit neuer Dynamik an Maßnahmen gegen internationale
Steuerflucht und -hinterziehung. Die Steueroasen sind ins Wanken
geraten. Öffentlicher Druck und gezielte gesetzliche Maßnahmen sägen an
ihrem Geschäftsmodell. Das Verstecken von Unternehmensgewinnen vor den
nationalen Steuerbehörden wird schwieriger.
Dennoch können Apple, Google und Co. aufatmen. Durch die vorgeschlagene
Änderung werden nur die krassesten Fälle von Nicht-Besteuerung
unterbunden. Viele andere Steuersparmodelle sind weiterhin einsetzbar.
Die heute vorgelegten Vorschläge gehen allerdings nicht weit genug. Um
das Steuerdumping in der EU zu beenden, muss die Kommission einen
einheitlichen Mindessteuersatz für Unternehmensgewinne vorschlagen. Nur
die aller schlimmsten Fälle von Doppel-Nicht-Besteuerung einzudämmen
reicht nicht aus, um Steuergerechtigkeit herzustellen.
Ich fordere die neue große Koalition auf, sich gemeinsam mit dem
Europaparlament für die zügige Einführung der länderbezogenen
Berichterstattungspflicht für grenzüberschreitend tätige Unternehmen
(country by country reporting) stark zu machen."
Hintergrund zur Mutter-Tochter-Richtline:
Ursprüngliches Ziel ist die Vermeidung der Doppel- oder
Mehrfachbesteuerung von ausgeschütteten Gewinnen von einer
Tochtergesellschaft an ihrer Muttergesellschaft. Diese Harmonisierung
hat jedoch zum Teil auch den Effekt, das es multinationalen Konzernen
möglich ist, verschiedene Steuersysteme innerhalb Europas gegeneinander
auszuspielen. Somit können sie im Sinne einer Doppel-Nicht-Besteuerung
ihre effektiven Steuersätze durch Steuerplanung drastisch senken.